Auf Atomwaffenbunker gesungen?
"Prison Gang" inspiziert Fliegerhorst Büchel
On-line gesetzt am 1. August 2017
zuletzt geändert am 5. November 2023

Erstmals ist es Friedensaktivisten gelungen, in den inneren Sicherheitsbereich des Fliegerhorstes Büchel einzudringen und sich dort längere Zeit unbemerkt aufzuhalten. Erst nachdem nach mehr als einer Stunde ein Alarm ausgelöst wurde, sind die fünf Personen, darunter vier US-Amerikaner, festgenommen worden. Einer der Aktivisten ist der 61-jährige John LaForge aus Wisconsin. „Uns ging es darum, zu überprüfen, ob hier wirklich Atomwaffen lagern, aber auch zu zeigen, dass kein Atomwaffenstützpunkt sicher ist“, erzählt der amerikanische Friedensaktivist, der schon seit 2003 immer wieder an den Protesten der Friedensbewegung in der Eifel teilnimmt, im Gespräch mit der RZ.

Die „Prison Gang“ (von links):
Bonnie Urfer, Steve Baggarly, Susan Crane, John LaForge und Gerd Büntzly.
Foto: Ralph Hutchison
Die Aktion nimmt in der Nacht zum 18. Juli ihren Lauf. In unmittelbarer Nähe zum Haupttor dringen die fünf Aktivisten in den Fliegerhorst ein, nach dem zweiten Zaun durchqueren sie ein Wäldchen, bevor sie dann an einem Doppelzaun stehen. „Hier haben wir längst Soldaten erwartet, die uns aufhalten, zumal wir deutlich Lärm verursachten, doch niemand bemerkte uns“, schildert John LaForge. Hinter dem dann ebenfalls aufgeschnittenen Doppelzaun erreichen sie einen großen, mit Erde bedeckten Bunker, auf den sie klettern. Auch hier bleiben sie unbemerkt, bis schließlich zwei der Aktivisten herunterklettern und „DISARM“ auf die Bunkertür schreiben. „Das löste wohl einen Alarm aus, denn nun tauchten Fahrzeuge und Soldaten mit Taschenlampen auf“, so der amerikanische Aktivist. Die Gruppe macht schließlich selbst auf sich aufmerksam, indem sie Lieder zu singen beginnt. Amerikanische Friedenslieder. „Denn wir hatten natürlich die Sorge, dass die Soldaten schießen würden, wenn wir sie überraschen, daher wollten wir zeigen, wo wir sind“, erzählt LaForge. Die deutschen Soldaten nehmen die fünf Aktivisten in Gewahrsam, stellen die Personalien fest, fotografieren sie. Wenig später taucht dann erstmals ein amerikanischer Soldat auf. „Aber ansonsten sahen wir nur deutsche Soldaten und Wachleute“, so LaForge. Nach einer Stunde in Gewahrsam verlassen sie den Fliegerhorst durch das Haupttor, wo die deutsche Polizei sie in Empfang nimmt, Platzverbote ausspricht und sie ins Camp geleitet.

„Die Idee, dass Atomwaffen Sicherheit bieten, ist eine reine Fiktion, an die immer noch Millionen glauben“, meint der amerikanische Friedensaktivist. Und er fügt hinzu: „Und in dieser Nacht haben wir gezeigt, dass das Bild eines sicheren Atomwaffenstützpunktes genauso fiktiv ist.“ Susan Crane von der amerikanischen Pflugscharbewegung, die ebenfalls an der Aktion teilnahm, schildert, dass Oberstleutnant Gregor Schlemmer, der Chef der Fliegerhorstgruppe in Büchel, um 3 Uhr morgens zu ihr gekommen sei und gesagt habe, dass das, was sie getan hätten, sehr gefährlich gewesen sei und sie dabei hätten erschossen werden können. „Wir glauben aber, dass die größere Gefahr von den Atomwaffen ausgeht, die hier lagern.“

Ob tatsächlich hier welche lagern, bezweifelt aber mittlerweile Marion Küpker von der Gewaltfreien Aktion Atomwaffen Abschaffen (GAAA), die die laufenden Proteste begleitet. „Es waren deutsche Soldaten, die auftauchten, keine amerikanischen. Die Lichter waren nicht an, die Zäune offenbar nicht gesichert, Detektoren wohl nicht aktiv. Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass das so wäre, wenn hier wirklich noch Atomwaffen lagern“, meint sie und spekuliert, dass die Amerikaner die B 61-Bomben auf den benachbarten US-Stützpunkt in Spangdahlem gebracht haben angesichts der andauernden Proteste der Friedensbewegung.
Das Bild eines sicheren Atomwaffenstützpunktes ist eine Fiktion.

Für die fünf Aktivisten, die zu einer internationalen Gruppe von Atomwaffengegnern gehören, die eine Woche lang in Büchel demonstrierten, spielt das aber eine nachgeordnete Rolle. „Es ist wichtig, deutlich zu machen, dass es sich hier um eine globale Protestbewegung handelt. Der Widerstand gegen Atomwaffen beschränkt sich nicht auf unser Land. Das neue Atomwaffenprogramm wird mehr als 12 Milliarden US-Dollar kosten. Und sobald die Herstellung irgendwann nach 2020 beginnt, soll Büchel neue Atombomben erhalten“, unterstreicht Ralph Hutchison, der zur internationalen Gruppe gehörte.
Eine Stellungnahme des Bundesverteidigungsministeriums zu dieser Aktion liegt der RZ bislang noch nicht vor.
Von unserem Mitarbeiter Dieter Junker

Veteranen der US-Friedensbewegung kommen zusammen auf 19 Jahre Haft
Sie sind Veteranen der US-Friedensbewegung und haben für ihr Engagement auch schon Gefängnisstrafen verbüßt. Insgesamt kommen sie auf 19 Jahre. „Wir nennen uns die Prison Gang“, meint John LaForge scherzhaft.

Er selbst saß bereits 4,5 Jahre in Haft. John LaForge ist Mitherausgeber des Newsletters „Nukewatch“, er war 2003 Mitorganisator der Welturanwaffenkonferenz in Hamburg. Die 73-jährige Susan Crane aus Kalifornien verbüßte bereits mehr als sechs Jahre in Haft. Sie arbeitet in einem „Catholic-Workers-House“ für Obdachlose. An der Aktion beteiligt war auch Bonnie Urfer aus Wisconsin. Die 65-Jährige ist Mitglied der Organisation „Nukewatch“ und organisiert seit 28 Jahren Friedenscamps und Proteste, für Aktionen zivilen Ungehorsams saß sie 6,5 Jahre in Haft. Der jüngste der Aktivisten ist der 52-jährige Steve Baggarly, der in Norfolk in Virginia lebt und Gründungsmitglied der „Norfolk Catholic Worker Community“ ist. Für seine Reise nach Büchel hat er erstmals die USA verlassen. Auch er verbüßte für sein Engagement bereits zwei Jahre im Gefängnis. Mit dabei war zudem der 67-jährige Deutsche Gerd Büntzly, der sich seit Jahren bei der „Lebenslaute" engagiert. dj